Staunen ist relativ
„Ihr werdet staunen“ – einsam im kalten Nieselregen steht ein Aufsteller vorm TU-Hauptgebäude. Er verkündet das Motto des Jahres der Wissenschaft. Schüchtern am oberen Rand des Posters erkennt der Informierte noch, dass hier gerade die Auftaktveranstaltung zu eben diesem Event einlädt. Mit einem „Wissensparcours“, vor allem für Kinder, aber auch für „erwachsene Entdecker“, wollte die Stadt ein Familienerlebnis schaffen. Im Gebäudekomplex an der StraNa wurde ein Parcours mit Stationen aufgebaut, die zum „Entdecken, Staunen, Rätseln und Tüfteln“ anregen sollten. Außerdem konnten Kinder zwei Puzzleteile für das Diplom zum Jahr der Wissenschaft sammeln. Geworben wurde dafür seit Wochen auf Plakaten und Flyern in der Stadt, in Amtsblatt und Co.
Gefühlte 50 Chemnitzer, nach anderer Aussage 500, verloren sich am Freitag im großen Hauptgebäude der Uni. In einigen Räumen saßen die Partner allein und warteten auf Besucher. Ingesamt machte die Auftaktveranstaltung den Eindruck, dass das Wissenschaftsjahr bei der Bevölkerung noch nicht angekommen ist. Dies ist insofern verwunderlich, da es sich irgendwie schon um die dritte „Informationsveranstaltung“ handelt, wo Projekte vorgestellt wurden (vgl. Nr. 1 (Science Slam) und Nr. 2 (B51-Festival)).
Gerade da bei diesem Auftakt auf die 80 folgenden Veranstaltungen neugierig gemacht werden sollte und die einzelnen Partner sich Mühe gegeben haben mit ihrern Beiträgen, wohl eher ein ernüchternder Nachmittag für die Veranstalter. Letztlich ist „Staunen“ wohl auch relativ, das immer von den Veranstaltern geweckten Erwartungen abhängt. Gerade im Vergleich zu Science Centern anderer Städte wirkte der Parcours eher wie ein gewöhnlicher Tag der offnen Tür an einer Provinzschule.
Im Stil der Wissenschaftsparcours-Bögen kann man auf der Suche nach dem Grund fragen (Mehrfachnennungen möglich, es gibt nix außer Erkenntnis zu gewinnen):
A) War vielleicht Freitag nachmittag keine gute Zeit für Familien?
B) Studenten meiden die Uni in den Semesterferien sowieso?
C) War das Wetter zu schlecht?
D) Gibt es vielleicht sogar einen Grund, warum der Stifterverband nicht Chemnitz zur Stadt der Wissenschaft auserkoren hat?
E) Schlug das Chemnitz-Phänomen wieder durch?
F) …?
Wie auch immer die Antwort ausfällt, es ist zu hoffen, dass die nächsten Veranstaltungen etwas mehr Publikum anziehen. Dies wären z.B. die Ringvorlesung „Stadt der Moderne“ im Museum Gunzenhauser am 7., die Eröffnung der Beta Bar am 9. (beides April und nicht März, wie es im Amtsblatt steht) oder das Bürgerfest 175 Jahre TU Chemnitz. Eine Wiederholung der schlechten Resonanz wie zu den letzten Begegnungen wünscht sich niemand.